Nach seiner Freiwilligenmeldung zur Kriegsmarine des Deutschen Reiches schreibt Friedrich Pospischil während seiner Fahrt mit der Eisenbahn auf den Weg zum Einsatzort, des Marinegruppenkommandos West in Paris, folgenden Brief (1:1-Abschrift):
Samstag, abends
Meine Lieben! Ich schreibe Euch heute nochmals. Und zwar einen Brief, da ich morgen nach dem Frühstück, bevor ich den Zug besteige und Deutschland sozusagen verlasse, meine restlichen Lebensmittelkarten Euch schicke.
Also gestern um 9h wurde [Wort nicht lesbar] aufgemacht. Mit mir fährt noch ein ehemaliger Quatiermeister¹ von der „Helgoland“ mit Namen Winkler. Der 3., der noch fahren wollte, ein älterer Herr, ist bis dato noch nicht aufgetaucht. Jener Winkler schaut aus wie der „Beckmesser“² aus den Meistersingern, nur ist er absolut gutartig und hat viele gute Sachen: Bonbons etc. mit. – Ich habe prächtigen Fensterplatz nur war halt der Zug bis zum letzten Platzerl überfüllt. Es hat fürchterlich hereingezogen, an Schlafen nicht zu denken, und war saumäßig kalt. So gings bis über Passau. Vor Nürnberg sah ich mit eigenartigen Gefühlen beim Vorüberfahren den „Dutzendteich“ mit der Kongreßhalle, Zeppelinwiese, wo ich vor zwei Jahren Link aufmarschiert bin.
Kreuzer Helgoland der k.u.k. Kriegsmarine
Dann gings nach Würzburg. Schon stahlblauer Himmel. Es wurde dann im Laufe des Tages sehr heiß und man sagt hier, dieses schöne wolkenlose Wetter sei bereits seit 14 Tagen. Alles rennt hier ganz sommerlich angezogen herum und ich im Wintergewand. Daß mir fürchterlich heiß ist, könnt Ihr Euch denken. Herrlich ist dann die Fahrt durchs ganze Maintal bis Frankfurt, dann weiter Mainz, Wiesbaden, und besonders am Rhein entlang Rüdesheim. Durch den Loreleyfelsen an prächtigen Schlössern, Burgen + Städtchen vorbei nach Koblenz. Am Rhein trotz Sonntags lebhafter Verkehr. Auch jetzt fahren große Ausflugsdampfer mit lustigen Leuten vollgepfercht unter Musik + Lachen den Rhein aufwärts unter meinem Fenstern gerade. Ein schönes Bild. Obwohl mir, ich weiß nicht, warum, ein bissl weh ums Herz dabei wird. Also dann gings von Koblenz weiter an Godesberg und Bonn vorbei nach Köln. Am Bahnhof ein Trubel, wie ich ihn selten im Leben sah. Auch jetzt scheint mir spielt sich das ganze Leben der Kölner auf ihrem Hauptbahnhof, der allerdings mitten in der Stadt neben dem berühmten und wirklich grandiosen Dom, ab. Ich bin sofort ins nächste Hotel u. zw. Kölnerhof (Zimmer 5.50) hab mich gewaschen, rasiert und war nach 1 Stunde des Pflegens wieder Mensch.
Dann besahen wir uns als erstes den Dom. Unglaublich erhaben und schön. Gleich darunter ein öffentlicher Unterstand mit Laufgraben etc. Dann wollten wir Kaffee trinken. Ich habe bis jetzt noch nichts getrunken (gegessen nur aus meinen Proviantdose.) (Spare für Frankreich.) So was von Kaffee, das kann ich nicht schildern: Kein Kaffee, keine Milch und kein Zucker … es war hellgelbes etwas bitteres laues Wasser. Entsetzlich! Dann schrieben wir paar Ansichtskarten. Hernach auf die wiederum herrliche Hohenzollern – Rheinbrücke, ein imposanter Bau. Da sprach ich ein kölner Ehepaar an und fragte sie, wo man gut und billig nachtmahlen, ich wurde gleich korrigiert, „Abendbrot essen“ kann. Sie sagten mir auch eines und nach einigen Schritten war ich auch dort und habe zwar eigenartig aber sehr gut gegessen. Mir hat es trefflich gemundet. Gebackenes Kalbskotelette mit Salat und Kartoffel. So weit ganz gut, aber es schwamm in einer dunkelbraunen säuerlichen Sauce. Aber wie gesagt, mir hats geschmeckt. Nun sitze ich im Hotelzimmer, packe jetzt meine Koffer, will dann versuchen zu schlafen und werde hoffentlich (!!) nicht gestört. Dann heißts in den Luftschutzkeller. Um 6h werden wir geweckt. 7.25 gehts nach B. Gladbach – Holland – Brüssel – Paris. Angeblich direkter Zug bis Paris Nord. Montag 7.25 Köln weg, Ankunft Dienstag 11h in Paris. Wieder eine Nacht im Zug. Wenn ich sehr kaput bin, steig ich in Brüssel aus und übernachte dort. Also behüt Euch Gott!
Alles Liebe
Fritz
Morgens: Die Nacht war ungestört, bis ¾ 5h, wo mein Nachbar geweckt wurde, Bin auch schon aufgestanden. Jetzt sitze ich beim letzten Frühstück in Deutschland. Lebt wohl, ich denke viel an Euch
Euer
Fritz
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¹ Quartiermeister war ein Dienstrang innerhalb der k.u.k. Kriegsmarine
² Beckmesser Sixtus war der Stadtschreiber in Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“
101906
4 comments for “Am 17.8.1940 am Weg zu seiner Dienststelle der Marine in Paris”